Sind wir nicht alle ein bisschen Amber?!

Auf Promis kann man sich verlassen. Die packen mitten in der grellen Düsternis unserer krisengeplagten Zeit für uns ihre dreckige Wäsche aus. Wir sollten ihnen dankbar sein. Denn sie führen natürlich nicht nur sich selbst, sondern uns alle vor. Sie zeigen uns, wo wir stehen. Oder besser, wo wir gestrandet sind, Mann und Frau. In 2022.


Kein schlechter Moment, um auch in dieser Sache mal Bilanz zu ziehen:

Disclaimer: Es ist mir vollständig egal, wer von beiden schuldig ist! Mich interessiert ausschließlich was in dem laufenden Prozess ZUM AUSDRUCK kommt! Was der Kampf von Jack Sparrow gegen Aquagirl uns über uns erzählt:
Amber wollte offensichtlich auf der hashtag-Welle surfen und den letzten Rest des Johnny-fames, der zu dem Zeitpunkt immer noch auf sie abgestrahlt hat, das Nachglühen, bestmöglich für sich nutzen. Karriereplanung a la Hollywood. Vielleicht wollte sie auch ein bisschen nachtreten, als sie 2018 (!) diesen Artikel für die Washington Post geschrieben hat. Kann ja durchaus sein. Jetzt führt sie, vermutlich auch noch unfreiwillig, den hashtag metoo vor unser aller Augen ad absurdum. Dankeschön! Applaus!!


Ich meine, besser hätte man das nicht inszenieren können:

Eine blonde, leicht aufgedunsene Schauspielerin, die vor Gericht ohne Tränen weint. So sehr sie sich auch anzustrengen scheint: da rinnt einfach nichts und keine Maskenbildnerin eilt feinfühlig mit einem Pfefferminz Fläschchen herbei und fragt: “Schätzchen, sollen wir zusammen ein bisschen nachhelfen?”Selbst in ihr überdimensionalesTaschentuch, dass endgültig wie das Requisit einer Boulevardkomödie wirkt, schnaubt die gute Amber nichts als heiße Luft. Ihre Message: “Ich habe ihn so geliebt.”


Man kann es ihr nicht glauben.

Daran ist Johnny schuld: Er präsentiert sich als Poet der Liebe. Nicht. Und dichtet Textnachrichten wie: “Lass uns ihre Leiche ficken!” (o.Ä.) Frei nach Georg Büchners Leonce: “Ich werde ihre Leiche lieben”). Andere Ergüsse (sorry for that…) malt er mit dem Blut seiner abgeschnittenen Fingerkuppe zum Beispiel auf einen Lampenschirm. Oder den Badezimmerspiegel. Also dahin, wo man sie kaum überlesen kann. Romantiker! Und sehr vertrauenserweckend, auch. Dieser Mann ist unschuldig! Da sind sich alle Männer (und überraschend viele Frauen) sicher, die sich in ihrer Kränkung bestätigt sehen: Die Frau blöfft doch nur! Sie lügt! Der arme, alte weiße Mann ist völlig zu Unrecht angeklagt! Free Johnny! (Funny side effect: Für Jack Sparrow casten sie gerade eine Frau.)



Merkt ihr es? Es geht nicht (nur) um einen schwer drogensüchtigen Superstar und seine persönlichkeitsgestörte Exfreundin.

Hier wird die Kausa: Frau gegen Mann verhandelt. Und die Kausa Mann gegen Frau. Ich kann nicht anders: Ich sehe in dieser monumental bescheuerten Gerichtsverhandlung die Fortsetzung der Debatte um #metoo. Der berühmteste Hashtag ever hat sich ja auch aus dem Showbusiness heraus generiert. Jetzt hat der “böse alte weiße Mann” den zweiten Akt eingeläutet und die Frage: “Wie sollen wir miteinander leben?” in den Gerichtssaal gezerrt. Vor die Weltöffentlichkeit. Die, wie wir aus anderen Fällen wissen, grausam ist. Grausam, wankelmütig und, mit Verlaub: Simpel.. (Angeblich sind im Hintergrund auch noch jede Menge Bots im Einsatz, um die öffentliche Meinung zugunsten von Depp zu manipulieren.) Eine überflüssige Aktion: Die Weltöffentlichkeit käme in dieser Sache gut ohne Bots und Hoaxe aus. Sie ist für Depp. Geschlossen. Lass den Mann in Ruhe. Frau!

Da kündigt sich ein backlash an.

Der shitstorm, der sich gegen Amber richtet, meint nicht Aquagirl allein. Der richtet sich auch gegen diejenigen von uns, die “den Regisseur im Hotelflur” überführt haben. Der empört sich über die Vorwürfe der letzten Jahre, über Anschuldigungen, Infragestellungen, Machtverlust, die Quote und was noch so alles war. Mann macht sich Luft. Und Amber bietet ein phantastisches Ventil.
Wie gesagt: Ich maße mir kein Urteil an! Nicht in diesem Fall. Ich habe mal (sehr lange her) einen Mann verlassen, der seine Kränkung damit überwand, alle gemeinsamen Freunde, Kollegen, sogar meine Familie gegen mich aufzubringen. Plötzlich war ich überall mit Vorwürfen konfrontiert: “Du hast XY verlassen? Wie konntest du?!” Eine Menge Leute haben sich damals von mir abgewandt. (Mein Exfreund war ein Star.) Noch Jahre später wurde ich von Kolleg:innen am Set gefragt: “Bist du nicht die Kollegin, wegen der XY so gelitten hat?!”
Deshalb weiss ich aus eigener Erfahrung: Die Öffentlichkeit in so etwas rein zu ziehen, ist besonders unfair, wenn der Marktwert der Parteien unterschiedlich ist.

Wer den Marktwert hat, der hat die Macht.


Und wer hat das Recht? Drauf geschissen! Wer von den beiden jetzt wann genau wen vermöbelt hat. Wurscht, wer das war! Oder nicht. (Igitt. Seht ihr: Sobald man sich da einmischt, macht man sich mitschmutzig.)
Es geht um nichts geringeres, als die Liebe, die hier verhandelt wird! Online! MIt hashtags und shitstorms. Ich mein ja nur. Das ist vielleicht ein schlechter Plan. Dieses ganze Getröte und in dasselbe Horn getute und die richtigen Hashtags gelike, das ist vielleicht saudumm. Vielleicht wäre es das Beste, wenn Johnny und Amber jetzt nach Hause gehen. Oder zu Betty Ford. (Was sie sich vermutlich nicht mehr leisten können, jetzt. Johnny soll ja pleite sein.)

In einem Popkulturfeature hab ich heute gehört (beim DLF) “Sie” (die Sängerin, über die gesprochen wurde) “trägt kurze Glitzerröcke wie in den 90ern, aber ihre Hingabe widmet sie sich selbst.” (Nicht mehr dem Mann. Statt: Hab micht bitte, bitte lie-hie-hieb, singt sie: “Ich kümmere mich um mich se-he-helbst”)
Ist das was Gutes? Ja! Oder? Ich frage mich das echt! Ist es gut, wenn wir in dieser Weise gegeneinander antreten? Mann und Frau? Wenn wir uns gegenseitig zu Konkurrent:innen erklären? In einem, nach wie vor, unfairen Kampf?! Was passiert da?! Wie geht das, mit der Liebe in 2022?!

Ich will keinen backlash.

Können wir bitte einfach GEMEINSAM nach einem Weg suchen, wie es besser geht? Und uns so wild und verrückt und irre lieb haben, wie es eben manchmal ist? Oder ist es das, was davon übrig ist? Eine unglaubwürdige Schauspielerin und ein abgefucktes Riesen***, die öffentlich Rosenkrieg spielen?

Ich weiss die Antwort nicht. Sorry, Freunde. Vielleicht wisst ihr sie? Dann meldet euch! Bitte!

Am besten, ihr schließt ein Abo ab. Könnte sein, dass ich es herausfinde. Auf jeden Fall bleib ich dran. Jetzt, wo es um DIE LIEBE geht. Die Fortsetzung dieser Kolumne wird zeitnah hier veröffentlicht. Und wär’ ja blöd, wenn ihr das dann verpasst. ;-)

* Alle Opfer von häuslicher Gewalt bitte ich um Verzeihung für den laxen Umgang mit dem Thema. Ich gehe davon aus, dass hier zwar Gewalt stattgefunden hat, aber gegenseitige. Die Schwierigkeit, als Opfer Gehör zu finden, ist mir bewusst. Auch hierfür ist der Prozess ein backlashförderer. Leider. Ich bin bei euch. Die Liebe hat zwei Gesichter. Eines davon ist gruselig.


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ICE-Lektionen. Die Lesung. Personenschaden ist noch schlimmer.

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Ljudi.