Falscher Klaus!

 “Wer handelt, leidet auch!”

Kennt ihr, das Zitat. Nehme ich an. Für alle Nicht-Theaterschaffenden: ist aus der Orestie. Ein ziemlich alter Text (458 v. Chr.) über eine tragische Familienfehde. Das ausgeübte Blutrecht wird am Ende (als eh’ nur noch der Muttermörder und Vaterrächer Orestes übrig ist) von der Göttin Pallas Athene durch eine schnöde Gerichtsverhandlung ausgetauscht, der Rachefluch gebannt. Sie tut das aus Liebe. (Die Göttin ist ein bisschen scharf auf den hübschen Orest.) So weit, so RTL. 

Das Stück gilt als die Geburtsstunde der Demokratie. 

“Wer handelt, leidet auch!” fordern die Erinnyen (= die Rachegöttinnen). Und meinen damit: Wer sich schuldig macht, muss dafür bezahlen. Athene (Göttin der Weisheit und des Kampfes, meine persönliche Lieblings- Gottheit, ich oute mich: die einzige, die ich anbete) deutet das um: “Bezahlen ja, na klar, aber nicht mit neuer Schuld. Wer handelt,” sagt die schlaue Göttin, “kommt nämlich gar nicht umhin, sich schuldig zu machen.” Stimmt. Irgendwas ist immer. Entweder, ich bin schuld, weil ich mitmache, oder weil ich zusehe. Ein Leben in Unschuld gibt es nicht. Umsonst ist nur der Tod.  

Die, um ihren Preis (sexy Orest) betrogenen Rachegöttinnen besänftigt die schlaue Göttin indem sie ihnen Anerkennung und Verehrung durch das Volk verspricht. Sie werden dafür extra umbenannt. (So eine Umbenennung kann also durchaus Sinn machen. *Kleiner Hinweis an die genderkritische Bevölkerung) Die rachsüchtig-tobenden “Erinnyen” werden zu “Eumeniden”, was so viel wie: “die Wohlgesinnten” heißt. Sie bekommen einen eigenen Tempel und sollen fortan mit Opfergaben im Zaum gehalten werden. Die message ist: Sie sind immer da! Es bedarf der Pflege und Besänftigung, damit sie eumenid bleiben. Und von der Rache absehen.

Letzte Woche haben sie mich herausgefordert. Ich war dann doch ganz schön überfordert… Nicht von meinem sogenannten Mut (meinem Ex-Chef einen offenen Brief zu schreiben) sondern davon, wie ich mit der Energie umzugehen habe, die das ausgelöst hat. Jede Menge Anfragen, Ansprüche, Zuspruch und Ideen. Hilfe! Meine angekündigte Instastory musste ich kurzfristig absagen. Sorry dafür! Auch zu einem offenen Brief (an mich!) in dem Klaus Kusenberg, scheidender Regensburger Intendant seinen Kollegen Claus Peymann verteidigt, ist mir schlicht nix eingefallen.

Sorry, Klaus! 

Du bist um die Debattenkultur besorgt. Ich auch! Das ist ja schon mal gut… 

Du findest, ich hätte meinen Brief nicht schreiben sollen. 

Was aber, frage ich zurück, wäre die Alternative?  Vergessen? Und Vergeben? Und es einfach aushalten, wenn Claus P. das dann Liebe nennt? Wer, ganz genau, hätte da was von!? Eben.

Wo fängt Rache an? Da, wo man eine Ungerechtigkeit formuliert? Oder da, wo Sühne gefordert wird? Hier glaube ich, sitzt der neuralgische Punkt: 

Ich habe gehandelt. Das war mein Ziel. Weil ich der Überzeugung bin, dass ich eine Verantwortung habe. Meine Verantwortung ist die, meine Rechte zu verteidigen. Nicht nur, weil es um mich geht. Nein. Weil ich, wenn ich mich anbrüllen und bedrohen lasse, damit ein Klima schaffe, in dem gebrüllt und bedroht werden darf. Das, lieber Klaus und lieber Claus, ist mir leider sehr, sehr spät erst aufgefallen.

Und zwar, weil ich meine Aufgabe völlig falsch verortet habe: 

Ich habe sehr lange geglaubt, es wäre meine Schuld, dass man mich anbrüllt. Und wenn ich nur endlich herausfinde, wie ich sein muss, damit ich niemanden wütend mache, dann komme auch ich zu meinem Recht. Ernsthaft. Ich wollte die Situation ändern. Und dachte: Ich setze am besten bei mir selber an. Mich kann ich ja ändern. Den anderen nicht. 

Und das war total falsch. Meine Wünsche, meine Werte, meine Selbstachtung sind vor die Hunde gegangen, bei diesem Deal!

Ich habe es spät erst kapiert: Ich muss nicht auf mich nehmen, eine andere zu werden. Ich muss  lernen, für mich selber einzustehen. Wer handelt, leidet auch! Wer agiert, muss bezahlen. Immer. Aber er/sie/alle kriegen auch etwas dafür! 

Und wenn es “nur” ein faires Arbeitsklima ist.

Das ist das Geheimnis der Athene: Wir sind in der Pflicht. Jede(r) einzelne. Mitzugestalten. Selber zu entscheiden, welche Rolle wir übernehmen wollen. Und auszuhalten, was das kosten kann. Sonst kippen die Verhältnisse und es entlädt sich Wut und Hass. Dann kriechen die Rattegöttinnen aus ihrem Loch. Und fordern, dass wir Schuld mit Schuld bezahlen.

Ihnen widme ich diesen Text. (Die Zeit, die ich investiert habe, um ihn zu schreiben, nehmen sie hoffentlich als Opfer an.)  Auf dass sie sanft bleiben! Und wohlgesinnt! Vielleicht sollte man ihnen wieder einen Tempel bauen. Ich wär dabei! 

…Lieber Klaus Kusenberg. Ich hab ein bisschen weiter ausgeholt. Irgenwie geht es uns ja alle an. Dafür, dass du mir den ersten “Offenen Brief” meines Lebens geschrieben hast, danke ich Dir. Du hast mir zugehört. Und mir auf Augenhöhe Kontra gegeben. Das fand ich richtig gut. Liebe Grüße! Nach Regensburg! Nix für ungut, hoffe ich.

Apropos: Ihr könntet mal meine Kolumne abonnieren. Dann kriegt ihr sie demnächst per Mail. +Umsonst +Werbefrei +Bombensicherer Datenschutz. Ich schwöre! Es geht nur um den Spaß. Und um die Freude. Die macht ihr mir, wenn ich weiss, dass meine Texte auch irgendwo ankommen. (Euch selbst hoffentlich auch.) Win- win!  

So lange: Nix für ungut! (Finde ich ja immer besser, diese Verabschiedung. Sie spricht dafür, dass man was riskiert hat, miteinander. Sollten wir viel öfter tun. Macht einfach mehr Spaß. Das Miteinander. Dann. In dem Sinne: Eure M.)

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Ikone der getäuschten Frau. -Heute bin ich in der Zeitung.

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Wir müssen reden.